Das Thema dieser Seite sind grundsätzliche Überlegungen vor dem Kauf und Einsatz von Figuren.
Dazu gehören die richtige Betrachtungsweise, die Vorbild–Recherche und die Auswahl.
Dies ist kein trockenes und überflüssiges Thema. Nur mit Vorüberlegung und Engagement
werden Sie zu überzeugenden Szenen auf Ihrer Modelleisenbahn kommen.
Sie werden kaum annehmen, einem der Männer auf dem Foto dieses Abschnitts heute zu begegnen.
Knickerbocker und Hosen mit so weitem Schnitt sind eben nicht aktuell.
Damit haben wir schon ein gutes Beispiel für den richtigen Blickwinkel: die Kleidung muss zur Epoche Ihrer Modellbahn passen.
Abschnitte dieser Seite:
Ihre Modellbahn–Anlage wird wahrscheinlich die Vorbilder einer bestimmten Gegend und
Epoche darstellen - zumindest sollte sie das.
Wenn das die Zeit der Deutsche Reichsbahn (alt) ist, sollten Sie nicht unbedingt Damen im Minirock zeigen
(der erst 1962 erfunden wurde und vor dem Krieg sicher als sehr problematisch empfunden worden wäre
).
Bei älteren Fotos oder Filmen wird dem Betrachter sofort klar, dass sie nicht die Gegenwart zeigen.
Das ist an der Kleidung, der Sprache, den Farben und vielem mehr erkennbar. Meist lässt sich sogar
ganz gut abschätzen, wann etwa - und zuweilen auch wo - ein Foto entstanden ist.
In einer ländlichen Umgebung werden kaum viele Menschen in städtischer Mode nach dem letzten Schrei
zu sehen sein (Ausnahmen bestätigen die Regel). Beschäftigen Sie sich ausführlich mit der Kleidung.
Ihr erster Schritt sollte daher darin bestehen, möglichst viele Bilder und Informationen aus der
passenden Epoche zu sammeln. Einige gute Anregungen werden „Reichsbahner” beim
Fremde Seite
20-2-40 Style Syndicate
finden. Da gibt es sogar Schnittmuster für Knickerbocker. Vielen Dank
an die Betreiber für gute Tipps! Passende Fotos finden Sie auch bei uns im Vorbild–Bereich.
Betrachten Sie diese Bilder genau und achten Sie vor allem auf die Unterschiede zu heute.
Im zweiten Schritt sollten Sie genau überlegen, welche Figur Sie wo und wie darstellen möchten und
wie das erreicht werden kann. Dabei gibt es zwei Ansätze: Entweder Sie prüfen die verfügbaren Modelle
auf ihre potenzielle Eignung für bestimmte Motive, oder Sie überlegen sich, wie Sie ihre Wunschfigur
realisieren können. Wirklich gute und auf Anhieb passende Figuren sind nämlich zumindest im Maßstab
1:22,5 dünn gesät - es gibt aber genug Ausgangsmaterial für eigene Schöpfungen.
Wenn Sie ein wenig guten Willen und etwas Fantasie mitbringen, stellt sich das Angebot
in viel günstigerem Licht dar. Viele Ausgangsmodelle lassen sich gut verändern oder deren Teile kombinieren.
Was Sie auf jeden Fall benötigen, sind Geduld, Ausdauer, Geld und eine gute Beobachtungsgabe.
Beachten Sie bitte, dass die Menschen im Durchschnitt alle 20 Jahre um etwa 2 bis
2,4 cm größer (länger) werden. Die Entwicklung hängt auch
stark davon ab, ob es gute oder schlechte Zeiten sind, vor allem, was die Ernährung betrifft.
Mit „großen” Modellfiguren ist auf Anlagen nach Vorbildern aus der früheren Reichsbahn–Zeit
kaum ein Blumentopf zu gewinnen. Eine Rolle spielen auch noch Beruf beziehungsweise Tätigkeit und die
Tageszeit. Wenig belastete Menschen schrumpfen zwischen dem Aufstehen und Zubettgehen um etwa
2 cm, Arbeiter und anderweitig Belastete um bis zu
5 cm. Das liegt unter anderem an der Belastung und Ausdehnung der Bandscheiben.
Die folgende Tabelle aus dem Jahr 1937 vermittelt einen guten Eindruck von den Unterschieden
der durchschnittlichen Größe von Menschen zu heute. Die Maßangaben sind in Zentimeter.
Größe | Mann | Weib |
---|---|---|
Mittel | 165,1 | 154,0 |
Zwergwuchs | < 129,9 | < 120,9 |
Sehr klein | 130 bis 149 | 121 bis 139 |
Klein | 150 bis 159 | 140 bis 148 |
unter mittelgroß | 160 bis 163 | 149 bis 152 |
mittelgroß | 164 bis 166 | 153 bis 155 |
über mittelgroß | 167 bis 169 | 156 bis 158 |
groß | 170 bis 179 | 159 bis 167 |
sehr groß | 180 bis 199 | 168 bis 186 |
Riesenwuchs | >= 200 | >= 187 |
Beachten Sie bitte die mittlere Körpergröße. An dieser Stelle muss Fremde Seite
Preiser sehr gelobt werden.
Figuren nach älteren Vorbildern sind da nämlich tatsächlich deutlich kürzer als die modernen Modelle.
Auf der folgenden Seite gibt es eine Anleitung, wie Figuren richtig gekürzt werden.
Vermeiden Sie, wo immer es geht, auffällige Ausnahmen. Wenn Sie mit einer besonderen Figur liebäugeln,
dann setzen Sie diese so ein, dass Sie trotzdem in das Umfeld passt.
Wichtig! Stellen Sie niemals Figuren in Bewegung auf, also solche, die laufen,
Fahrrad fahren, oder andere Bewegungen ausführen. Das führt die Modell–Szenerie ad absurdum.
Wenn sich nur Lokomotiven und Züge, allenfalls noch Autos und Lastkraftwagen bewegen, fühlt sich der
Betrachter durch die eingefrorene Bewegung sofort hintergangen.
Versuchen Sie, sich zu jeder eingesetzten Figur einen Namen, das ungefähre Alter und den Beruf oder
die Tätigkeit auszudenken. Überlegen Sie als nächstes, warum die gezeigte Figur gerade dort zu sehen
ist, wo Sie diese aufstellen, und vor allem, warum.
Nehmen wir als Beispiel das Bild dieses Abschnitts. Dr. Berger, der Landarzt,
fährt zu einem Einsatz. Auf der Fahrt dahin sieht er eine Bekannte oder gar seine Freundin. Er stoppt
seinen DIXI am linken Straßenrand, um einen
kurzen Schwatz zu halten oder sich für abends zu verabreden. Vielleicht erkundigt er sich auch
nur nach der Genesung einer Verwandten der jungen Frau. Der Halt am „falschen” Straßenrand
war wegen der damals geringen Verkehrsdichte trotz Rechtsverkehr noch kein Problem.
Beachten Sie dabei, dass er nach oben schaut und die junge Frau nach unten zu ihm hin: Sie haben
Blickkontakt. Das lässt die Szene gleich besser wirken als viele „Menschen”, die
keinerlei Kontakt zueinander haben. Sie können ja auch 'mal überlegen, was der Arbeiter auf dem Foto
des letzten Abschnitts so interessant findet und wo der Junge auf der Bank so interessiert hin schaut.
Genau durchdachte Szenen sind ein Schlüssel für die stimmige Wirkung von Figuren. Wir werden auf den
folgenden Seiten noch mehrere Beispiele zeigen und beschreiben.
Viele Modelleisenbahner machen den Fehler, die schon oft gesehenen Figuren ohne jede Veränderung
und auch noch in der Kombination wie in der Packung aufzustellen. Die im Bild des Abschnitts
gezeigten Frauen bei der Ernte sind ein typisches Beispiel dafür.
Diese Figuren sind (wie die meisten, jedoch nicht alle von Preiser) ganz hervorragend detailliert.
Das spricht dafür, sie zu verwenden. Aber bitte nicht zusammen und bitte nicht ohne farbliche
Änderungen. Die schwarze Bluse und der rote Rock der jungen Frau mit dem Strohhut und einem Zopf
haben einen so hohen Wiedererkennungswert, dass die Bäuerin sofort ins Auge sticht.
Mit einem braunen Rock, einer helleren Bluse und etwas dunkleren Haaren wirkt sie sicher schon ganz anders.
Das mag bei diesem Beispiel nicht sinnvoll sein, aber grundsätzlich ist es eine gute Idee,
ab und an Köpfe und Gliedmaßen zu tauschen oder zumindest deren Stellungen ein wenig zu ändern.
Ein Beispiel dafür zeigt das erste Bild dieser Seite mit den zwei Männern.
Mit Hilfe solcher „Operationen” (siehe die nächste Seite zum Thema Rohbau)
können Sie individuelle Unikate schaffen, die nicht gleich wiedererkannt werden.
Entweder die Produktmanager bei Fremde Seite
Preiser oder ein Großteil der wohl vorwiegend männlichen Kunden
bevorzugen teils sehr freizügige Figuren. Dagegen ist allenfalls einzuwenden, dass Allerwelts–Motive
für ernsthafte Modellbauer weit nützlicher sind und deren Auswahl nicht darunter leiden sollte.
Nichts gegen ein gelegentliches etwas offenherzigeres Décolleté. Typisch
sind aber weder das noch geringfügig anzügliche Szenen.
Bei den „Adam”–Bausätzen hat Preiser leider eine große Chance verspielt. Sie sind
allenfalls für Freunde athletischer Kämpfe oder von Gladiatoren interessant. Die beiliegenden Köpfe
sind meist nutzlos und wirken sehr aggressiv. Die Körperteile sind so extrem muskulös, dass die
Figuren nur mit kaum noch vertretbarem Aufwand in „Durchschnittsbürger” verwandelt werden können.
Auch die Umwandlung der Frauenfiguren aus dem „Eva”–Bausatz erfordert einiges
Geschick. Die gedachten Posen der Packung sind für typische Stellungen (stehende oder auf einem Stuhl
oder einer Bank sitzende Menschen) nur teilweise geeignet, eher für den Badestrand.
Besonders schade sind die meist ausdruckslosen und eher ernsten Mienen der Figuren. Das deswegen,
weil der Umbau auf ein Lächeln oder eine heitere Miene mit erheblichem Bastelaufwand verbunden ist.