Der durch den Dampf erzeugte Druck wird bei Lokomotiven benutzt, um eine Drehbewegung der Räder zu
erzeugen. Dazu müssen sich die Kolben vor und zurück bewegen. Diese Bewegung wird über eine Treibstange
auf die Kurbel eines Rads übertragen und von dort meist über Kuppelstangen auf die anderen Treibräder.
Damit Dampflokomotiven anfahren können, dürfen die Kurbelzapfen einander gegenüber liegender Räder nicht
auf 0° oder 180° zueinander stehen, da die
Lokomotive sonst an einem gemeinsamen Totpunkt der Kurbeln stehen bleiben könnte. Der übliche Versatz
bei Zweizylinder–Maschinen beträgt 90°.
Hier wird erklärt, wie es zu der gesteuerten Bewegung der Kolben kommt.
Abschnitte dieser Seite:
Oberhalb oder seitlich der Zylinder einer Dampflok befinden sich Schieber–Kästen, in
denen der Ein– und Austritt des Dampfes auf beiden Seiten des Kolbens gesteuert wird.
Bei Nassdampf–Lokomotiven
werden in der Regel Flachschieber wie hier gezeigt verwendet. Je nach Stellung des
Schiebers wird der Frischdampf einer Seite des Kolbens zugeführt, während der Abdampf auf der anderen Seite Richtung Schlot geführt wird.
Der Weg des Schiebers sollte möglichst kurz sein. Um dennoch hinreichende Querschnitte
zu erzielen, sind die Ein– und Austrittsöffnungen zwar kurz, aber breit. Das ist in der Aufsicht zu erkennen.
Der Lokomotivführer kann den Weg des Schiebers einstellen, damit dieser mehr oder weniger öffnet und damit
auch mehr oder weniger Dampf einströmt. Die Dampfmenge wird Füllung genannt. Beim Anfahren, wenn die meiste Leistung
benötigt wird, beträgt sie etwa 80 %. Bei der Fahrt genügen rund 25 % Füllung.
Flachschieber sind wegen des zur Abdichtung nötigen Anpressdrucks nur bis zu einem bestimmten
Dampfdruck geeignet. Bei Heißdampf–Lokomotiven kommen daher meist Kolbenschieber zum Einsatz (siehe zweites Bild dieses Abschnitts).
Eine der wichtigsten Aufgaben bei der Erfindung der Lokomotive beziehungsweise der Dampfmaschine
allgemein war, die Schieberbewegung zu automatisieren und möglichst wirksam zu gestalten. Darüber
wurden schon ganze Bücher geschrieben. Nachfolgend werden die gängigsten Systeme vorgestellt.
Robert Stephenson, einer der Väter der Dampflok, erfand 1843
die nach ihm benannte Kulissensteuerung. Sie arbeitete als erste zuverlässig und
berücksichtigte auch eine veränderliche Ausdehnung (Expansion).
Auf dem Kurbelzapfen eines Rads (linke Bildseite) sitzen zwei Exzenter E,
die in der Zeichnung der Deutlichkeit halber zu weit oben und unten angeordnet wurden.
Die Rückwärts–Exzentrik E' (hier unten) ist meist die innere, jedoch nicht immer.
Die Exzentrik–Stangen S und S'
greifen oben und unten in die Kulisse K, die an Punkt
P drehbar an einem höhenverstellbaren Hängeeisen befestigt ist.
Die Kulisse K ist hier in der neutralen Mittelposition
gezeichnet. Wird sie abgesenkt, wirkt die Vorwärts–Exzentrik mehr auf die Schieberstange
s, die zuweilen noch ein eigenes Hängeeisen hat (meist jedoch durch ein Lager
geführt wird). Die Lokomotive wird vorwärts fahren. Wird sie gehoben, kann die Lok rückwärts anfahren.
Die Stephenson'sche Umsteuerung gab es auch mit gekreuzten Stangen.
Dann gilt das Gegenteil (Kulisse oben für vorwärts, unten für rückwärts).
Die Exzenter–Stangen können ein beachtliches Gewicht haben; daher wird am Winkelhebel,
von dem aus die Zug– beziehungsweise Schubstange zum Führerhaus führt, manchmal ein Ausgleichsgewicht angebracht.
Sehen Sie sich auch eine Seitenansicht der Stephenson–Steuerung
an der Dampflok aus dem dritten Bild dieses Abschnitts an.
Die Kulisse K der Gooch'schen Steuerung ist an einem Hängeeisen so aufgehängt, dass sie sich nicht
in der Höhe verstellen lässt. Das Hängeeisen H ist hier der Deutlichkeit halber nur teilweise eingezeichnet.
Es führt bis zum Punkt P. Die Kulisse K hat einen Radius, der der Länge der Schieberschubstange
s zwischen den beiden Drehpunkten entspricht. Diese Stange wird gehoben oder gesenkt.
Der Unterschied zur Stephenson'schen Steuerung ist, dass die Voreilung bei allen Expansionsgraden gleich bleibt,
was ein großer Vorteil ist. Leider hat die Steuerung auch einen Nachteil: Sie erfordert einen großen Abstand
zwischen Schieberkasten und Treibachse, weswegen sie zumindest bei kleinen Loks selten anzutreffen ist.
In den frühen Jahren war es schwierig, die gekrümmte Kulisse mit dem passenden Kulissenstein zu fertigen.
Eine Steuerung, die mit einer geraden Kulisse arbeitete, wurde gleichzeitig und unabhängig in England von
Allan und in Deutschland durch von Trick entwickelt.
Diese Steuerung vereinigt gewissermaßen die beiden vorherigen Systeme. Sie hat ebenfalls den Nachteil,
dass sie einiger Länge bedarf. Auch die Hängeeisen H und H' müssen möglichst
lang sein. Dennoch ist dieses System von allen, die mit Exzentern arbeiten, das meist
verbreitete. Die bekannteste damit ausgerüstete Lokomotive dürfte die preußische T3 sein,
die spätere BR 8970-75.
Die Allan'sche Steuerung funktioniert nur bei richtigen Proportionen
der Hebelarme A und B, die hier nur schematisch
gezeichnet sind. Da dies auch für die Nachbildung im Modell wichtig ist, folgt hier die Berechnung.
Der Doppelhebel AB darf nicht länger werden als
ta. L sei die Länge der Exzentrik–Stange,
A die Entfernung d-P und B
d'-P, C das Maß
t-m und D a-m.
Dann gilt: Das Verhältnis von B zu A ist
(L ÷ D)
× (1 + Wurzel aus (1 + L ÷
C)).
[ ± ]. Dampflok „Hohemark”.
In Folge ist der hintere Hebelarm A der Waage, an der die Hängeeisen befestigt sind, stets deutlich kürzer
als der vordere. Das ist auf dem Vorbildfoto links aus dem Verkehrsmuseum Frankfurt gut zu sehen. Beim zweiten Bild aus dem
Technikmuseum Mailand sehen Sie hingegen die typischere Exzenter–Bauweise.
Die wohl bekannteste und verbreitetste Steuerung ist die von Heusinger. Sie hat nur einen Exzenter in Form einer Gegenkurbel,
der dem Kurbelzapfen des Rades um 45° oder mehr voraus oder nach eilt.
Über die Schwingenstange S wird der untere Teil der Kulisse K bewegt, die möglichst
nahe der Mitte, ansonsten eher oben ihren festen Drehpunkt hat (vergleiche Foto am Seitenanfang).
Als Ersatz für den zweiten Exzenter dient die Bewegung des Kreuzkopfs KK,
die über eine Schubstange auf den Voreilhebel V übertragen wird. Der Drehpunkt o
des Voreilhebels wird über die Schubstange s von der Kulisse aus hin– und herbewegt.
Steht der Kulissenstein bei t im Schwingungsmittelpunkt der Kulisse, verschwindet die Bewegung
an Punkt o, die Steuerung steht an ihrem Ruhepunkt. Darunter steht die Steuerung
auf vorwärts, darüber auf rückwärts. Bei Gegenkurbeln mit Nacheilung gilt das Gegenteil.
Sehen Sie sich die Animation einer Heusinger–Steuerung an (englisch: „Walschaerts gear”).